Die „Cancel-Culture“ scheint nun auch in Deutschland angekommen. Nach dem Einstampfen des Echo vor einigen Jahren zur Unterstreichung der Poltitical Corectness im deutschen Musikbusiness und erfolglosen Versuchen in jüngerer Vergangenheit auf Krampf eine deutsche „Deutschrap Me too“-Kampagne zu etablierten, kommt nun der nächste Streich der selbsterklärten Online-Anstandswächter. So rufen die Initiatoren der Instagram-Seite Wikiriot aktuell dazu auf die Künstler Apache, Cro, Bonez MC und Cashmo aufgrund von frauenverachtenden und gewaltverherrlichender Aussagen in Raptexten zu canceln. Der Aufruf zum Boykott besagter Künstler amüsiert eher, als dass er diese ernsthaft in Bedrängnis bringen könnte.
Reaktionen bleiben größtenteils aus
Die Mehrheit angesprochener Künstler geht entsprechend der Empfehlung der selbsterklärten Gerechtigkeitsliga mit Wikiriot um und gibt deren lächerlichen Forderungen keine Plattform. Absolut richtig, wie wir finden, denn der beste Umgang mit Bullshit ist diesem nicht auch noch zu mehr Reichweite zu verhelfen und zu versuchen diesem mit gradliniger Logik zu begegnen. Mit Bullshit meinen wir nicht den Einsatz für Frauenrechte oder gegen Gewalt, sondern dass sich in den Vorwürfen abzeichnet, dass die „Ankläger“ keinerlei Bezug zur Materie haben, über die sie urteilen.
Raptexte sind Fiktion und der Versuch Fiktion an Realitäten zu messen, kann per se nicht zu einem guten Ergebnis führen. Rap ist plakativ und lebt, abgesehen von wenigen Ausnahmen, von Provokation und Sensation. Ähnlich wie Filme oder Bücher ist Rap eine Ausdrucksform, die versucht durch bewusst überbetonte Erzählungen Bilder in Köpfen zu erzeugen und darüber auf Missstände aufmerksam zu machen. Macht es Sinn einem Maler wie Picasso zu erklären, dass seine Darstellung von Uhren nicht der Realität entsprechen? Oder Steven Spielberg vorzuwerfen, dass sein Film „Der Soldat James Ryan“ zu glaubhaft vermittelt, wie sich Krieg anfühlt? Natürlich nicht. Und natürlich macht es ebenso wenig Sinn, einen Rapper anzuhalten, bei der Vermittlung seiner Botschaften auf Rapkultur und Straßenjargon zu verzichten.
Rapper bemängeln ein mangelndes Verständnis von Rapkultur
Eine der wenigen Reaktionen auf die Forderungen von Wikiriot kommen vom Rapper Cashmo. Dieser macht sich mehr oder weniger nur über die realitätsfremden Forderungen lustig, weil auch für ihn offensichtlich ist, dass die Mitglieder von Wikiriot nicht wirklich verstehen, wovon sie sprechen. Zudem hätten sie neben dem Mangel an Verständnis für die Materie Rap auch keinen Zugang zu Rapfans. Ihre Forderungen nach Boykott liefen daher ohnehin ins Leere.
Wir sehen das ganz ähnlich. Wenn man keinen Bezug zu einem Thema hat, einfach mal die Klappe halten. Die größte Gefahr für feministische Bestrebungen in Deutschland sind nicht Rap oder Rapper, sondern Feministinnen, die über substanzlose Aussagen zeigen, dass sie kein Gehör verdienen.